Helmut Barteldrees weist auf den Stamm einer kranken Rosskastanie. Große Teile der Rinde sind hier aufgeplatzt., Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen
Bakterium setzt Rosskastanien zu
Gütersloh (gpr). Aufgeplatzte Rinde, dunkelverfärbte, schleimartige Flecken am äußeren Stamm, Laubaufhellung, eine stetig lichter werdende Baumkrone, Aststerben: Diese unterschiedlichen Veränderungen kann man bei vielen Rosskastanien im Gütersloher Stadtgebiet beobachten. Der Grund trägt einen umfangreichen lateinischen Namen: Pseudomonas syringae pv. aesculi.
Das stäbchenförmige Bakterium ist klein, richtet aber großen Schaden an. Helmut Barteldrees vom städtischen Fachbereich Grünflächen steht an der Berliner Straße, in Höhe der Gaststätte Bermpohl. Viele Rosskastanien säumen hier den Straßenrand. Doch bei genauerem Hinschauen sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren zu erkennen. Während die einen – vermutlich gesunden – eine volle Krone tragen, ist das Blätterdach bei anderen – erkrankten – deutlich dünner. Ein Vertreter seiner Art steht sogar ganz ohne Blattwerk da.
»Hier in Gütersloh ist der Befall erstmals vor etwa fünf Jahren aufgetreten«, erklärt Helmut Barteldress. Damals sei man zunächst durch die Risse und die dunklen, nässenden Stellen aufmerksam geworden. Hinzu kam die Beobachtung, dass sich bei manchen Rosskastanien oft schon innerhalb von nur drei Jahren die Kronen deutlich lichteten und gar ganze Astpartien abstarben. »Das war ungewöhnlich«, erinnert sich Barteldrees.
Seitdem sind rund 100 der insgesamt 700 städtischen Rosskastanien erkrankt. »Das sind aber nur die, von denen wir wissen, es können durchaus auch mehr sein«, sagt er. Schließlich trage kein Baum ein Schild, auf dem stehe, dass er krank ist. Für den Menschen ist das Bakterium ungefährlich, die befallenen Bäume sterben jedoch daran. Ein Gegenmittel gibt es bislang nicht. Und so mussten 50 städtische Rosskastanien bereits gefällt werden. »Das war aus Sicherheitsgründen notwendig«, so der gelernte Gärtner und Diplom-Ingenieur für Landespflege.
Die Bäume werden aber nicht schon beim kleinsten Verdacht gefällt. Zuerst warte man ab, ob sich die Vermutung auch bestätige. Vor allem im Herbst ist die Krankheit schwerer zu erkennen. »Die Trockenheit des Septembers hat dazu geführt, dass die Bäume ihr Laub schon früh abwerfen.« Und auch kleine Risse in der Rinde des Stammes seien bei Rosskastanien üblich. Deshalb rät Barteldrees, in nicht eindeutigen Fällen zunächst abzuwarten. Während die Krankheit bei manchen Rosskastanien recht langsam voranschreitet, dauert es in manchen Fällen nur wenige Jahre bis ein Baum völlig tot ist.
Noch vor ein paar Jahren wurden an Stellen, an denen erkrankte Rosskastanien standen, neue nachgepflanzt. Doch schnell stellte sich heraus, dass auch diese teilweise erkrankten. "Fachleute meinten damals, die Bäume würden wieder gesund", erinnert sich Barteldrees. Das ließ sich so aber nicht bestätigen. Stattdessen wird mit der Esskastanie nun eine mit der Rosskastanie nicht verwandte Art nachgepflanzt, die für das Bakterium offenbar unempfänglich ist. Bislang sind Esskastanien zwar eher in trockeneren und wärmeren Gefilden beheimatet gewesen, doch im Zuge des Klimawandels fühlen sie sich mittlerweile auch hier recht wohl.
»Wir möchten den Charakter dieser Straßen, die das Stadtbild mit prägen, erhalten«, erklärt Barteldrees einen wichtigen Aspekt bei der Entscheidung. Denn nicht nur an Berliner Straße und Kaiserstraße säumen Kastanien den Straßenrand. Etwa auch an der Herzebrocker Straße oder am Pavenstädter Weg gehören sie zum gewohnten Anblick und sind Merkmal des Stadtbildes. Hier sieht ihre Situation noch etwas besser aus.
Zwar wissen die Experten heute schon deutlich mehr über das Bakterium, doch vieles ist nach wie vor unbeantwortet. Wie überträgt es sich? Durch die Luft, durch Vögel, durch Insekten? Kann man präventive Maßnahmen ergreifen? Eine empfohlene Vorsichtsmaßnahme ist die Desinfektion des an kranken Bäumen benutzten Werkzeugs. Aber ob das wirklich hilft, weiß niemand.
»Als ich in der Ausbildung war, hieß es: Rosskastanien sind robust, die kann man nahezu immer und überall pflanzen. Das gilt heute nicht mehr und ist sehr bedauerlich«, sagt Barteldrees. Bleibt also derzeit nur zu hoffen, dass die Rosskastanie auch in Zukunft zum gewohnten Stadtbild gehören wird.
Pseudomonas syringae pv. aesculi in Europa
- Schon im Jahre 2002 konnte das Bakterium mit einem großen Rosskastanien-Sterben in den Niederlanden in Verbindung gebracht werden
- In den Folgejahren wurde es vor allem auch in Großbritannien, Frankreich und Belgien an Rosskastanienbäumen nachgewiesen
- Sowohl junge Bäume als auch alte Bestände können daran erkranken
- Das Bakterium befällt sowohl rot- als auch weißblühende Rosskastanien