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Porsche trauert um Vic Elford

Porsche trauert um Vic Elford

Stuttgart. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG trauert um einen der erfolgreichsten und vielseitigsten Werksrennfahrer, der je für den Stuttgarter Sportwagenhersteller gestartet ist: Victor Henry Elford ist am 13. März 2022 in seiner Wahlheimat Florida im Alter von 86 Jahren gestorben. Besonders Ende der 1960er Jahre dominierte der smarte Engländer die Rallye- und Rundstreckenrennen weltweit. »Die Nachricht über seinen Tod trifft uns sehr. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie«, sagt Michael Steiner, Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG. »Wir danken Vic Elford für seine Leidenschaft und sein außerordentliches Engagement. Er war einer der vielfältigsten und erfolgreichsten Rennfahrer, die für und mit Porsche an den Start gegangen sind.«

Geboren wurde Elford am 10. Juni 1935 im Londoner Distrikt Peckham. Nach einer technischen Ausbildung sammelte er 1964 erste Erfahrungen in der #Sportwagen #Weltmeisterschaft. 1966 erreichte er den dritten Platz bei der Rallye Korsika auf einem Porsche 911, ein Jahr später gewann er die Rallye Stuttgart-Lyon-Charbonnières. Ebenfalls 1967 entschied er das erste Rallyecross-Rennen der Historie für sich auf dem Lydden Hill Race Circuit in Kent mit einem Porsche 911 R des britischen Importeurs AFN. Im gleichen Jahr wurde das große Talent bereits Rallye-Europameister – prompt nahm ihn Porsche als Werksfahrer unter Vertrag.

Ein schier unglaubliches und einmaliges Jahr gelang ihm 1968 – es bescherte ihm seinen Kosenamen »Quick Vic«, den ihm seine Fans verliehen. Denn im Januar gewann er die Rallye Monte Carlo, im Februar die 24 Stunden von Daytona, im Mai die Targa Florio sowie das 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. Über alle Erfolge konnte Elford – der Mann mit dem fotografischen Gedächtnis – bis zu seinem Lebensende detailliert berichten.

So hat er auch seine aufregendsten Momente bei der Rallye Monte Carlo nie vergessen. Schon 1967 startete er hier in einem 911 S und sicherte Porsche den Klassensieg und einen dritten Platz im Gesamtklassement. Im Januar 1968 war sein Sportgerät ein Porsche 911 T, 170 PS stark und keine Tonne schwer. Er wählte Warschau als Beginn der Sternfahrt nach Monaco. Auf der Rampe vor dem Casino in Monte Carlo startete der Franzose Gérard Larrousse im Alpine mit 14 Sekunden Vorsprung als Erster – direkt danach folgten Elford und sein Beifahrer David Stone. Die Hatz der beiden ist legendär: »Vor dem Start zum Col de la Couillole sagte mein Copilot: ‚Entspann Dich. Vergangene Nacht haben wir die Straßen auf Eis und Schnee geprüft. Wir wissen, es kann weniger geben, aber auf keinen Fall mehr. Also vertraue mir, vertraue unseren Notizen. Du weißt, Du bist der Schnellste in den Bergen, also fahr einfach.« Elford entspannte sich und fuhr – wenngleich die Annahme mit dem Schnee auch nicht völlig stimmte: Einige Zuschauer, die auf Spektakel aus waren, hatten den Asphalt mit Schnee bedeckt – auf dem allerdings Larrousse ausrutschte und nicht das Porsche-Team. Elford: »Als wir uns nach der Sonderprüfung erholt hatten, fragte ich David: ‚Wie viele Kurven hätte ich schneller nehmen können?‘ ‚Zwei,‘ sagte er. Ich dachte, es wären drei gewesen.« Und weiter: »Ich entschied mich für Rennreifen. Im blinden Vertrauen auf David nahm ich manche vereiste Fläche mit Vollgas und 200 km/h im fünften Gang. Damals rauchte ich wie ein Schlot, aber nach dieser Fahrt brauchte ich zwei oder drei Versuche, um mir eine Zigarette anzuzünden – so erschöpft war ich von den 26 Kilometern.«

So wie er das Rauchen nie aufgab, war er sein Leben lang überzeugt von den Qualitäten eines Porsche 911: »Es ist das einzige Auto, das man tatsächlich auf den Einsatz unter allen denkbaren Umständen einstellen kann. Schnee, Eis, Asphalt, bergauf, bergab, schnell oder langsam – der 911 packt alles.« Auch wenn Elford ein Leben lang bescheiden blieb, wusste er doch, zu was er fähig war. So sagte er einmal: »Hätte ein Porsche 911 ohne mich bei der Rallye Monte Carlo gewinnen können? Ja – aber nicht 1968. Ich denke, niemand sonst konnte einen 911 damals so fahren wie ich.«

Aber auch auf anderen Stuttgarter Modellen war Elford außergewöhnlich schnell. Nur einen Monat nach der Monte siegte er mit einem Porsche 907 LH bei den 24 Stunden von Daytona. Anfang Mai jubelten Elford und Porsche schon wieder: Der Brite gewann eine unglaubliche Targa Florio auf dem Porsche 907 KH. »Die Targa Florio war immer mein Lieblingsrennen,« hat Elford oft gesagt. Zwischen 1967 und 1972 fuhr er sie sechsmal hintereinander. Zwar siegte er nur 1968, sicherte sich aber in jedem der folgenden Rennen die schnellste Runde. Bis zuletzt schwärmte Elford von den hilfsbereiten Sizilianern, die ihm damals einen seiner größten Triumphe ermöglichten. Denn: »Kurz nach dem Start verlor ich hier zwischen Cefalu und Cerda ein Rad. Die Zuschauer kamen von der Mauer gesprungen, hoben mein leichtes Auto an und ich konnte das Ersatzrad montieren. Man muss sich das vorstellen: Einem Briten in einem deutschen Auto wird in Italien zum Sieg verholfen.« Das störte das Publikum auch ein paar Kurven später nicht: »Da verlor ich das nächste Rad. Wieder hoben die Leute das Auto an, und weil ich kein Ersatzrad mehr hatte, schraubte ein Fan das Rad von seinem Privatwagen ab und überließ es mir.« Bis zuletzt war »Quick Vic« besonders stolz auf ein Plakat, das bei ihm zu Hause in Florida hängt: Es zeigt sein Konterfei, darüber steht »Classifica Assoluta«, darunter »1. Elford Maglioli 907«. Ein Porsche-Schriftzug ist nur am Rande zu erblicken – und das ist ungewöhnlich: Porsche feierte mit diesem Siegerposter ausnahmsweise den Fahrer und nicht die Marke. 

Nur zwei Wochen nach seinem Targa-Triumph saß er in einem Porsche 908 KH beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring und deklassierte gemeinsam mit Jo Siffert die Konkurrenz. Den Sieg in der Eifel konnte er 1970 und 1971 wiederholen. Dabei blieb Vic Elford immer ein fairer Gentleman, wie sich zum Beispiel im November 1968 in Bastia zeigte. Kurz vor dem Start zur Rallye Korsika schnappte sich Rennfahrzeug-Chefentwickler Peter Falk seinen Top-Piloten zum Einzelgespräch. »Wir brauchen für Rallyes wie diese einen französischen Fahrer. Wen würdest Du nehmen?« Elford überlegte. Er hätte gerne seinen guten Freund Jean-Francois Piot empfohlen, aber er kannte einen noch besseren Piloten: »Nehmt Gérard Larrousse.« Falk befolgte den Rat. Und Porsche bereute diese Entscheidung nie: Larrousse gewann allein 1969 auf Porsche 911 R nicht nur die Tour de Corse, sondern auch noch die Rallye Neige de Glace und das Etappenrennen Tour de France d’Automobile.

Vic Elford war Zeit seines Lebens aber nicht nur vom 911 begeistert, sondern ebenfalls vom nicht immer einfachen Porsche 917. Er pilotierte sechs verschiedenen 917-Typen in 16 Rennen von 1969 bis 1971, so zum Beispiel in Le Mans. Bei sechs Einsätzen dort konnte er allerdings nie siegen. 1971 verfehlte er den Triumph jedoch nur knapp, als er im Porsche 917 Langheck gemeinsam mit Gérard Larrousse 21 Stunden führte, bis die Technik streikte. »Das war schon ein ‚nasty biest‘, denn der Motor war sehr schwer,« erinnerte sich Elford. »Das Getriebe war hinter der Maschine angeflanscht. Durch Verwindung wurde das Schalten im Laufe des Rennens immer problematischer, in der Mulhouse-Kurve mussten wir dann mit Getriebeschaden aufgeben.« 1973 fuhr er zum letzten Mal einen 917: »Wir haben uns einen 917/30 vom Werk für den Interserienlauf in Hockenheim ausgeliehen. Ich war vorher noch nie in einem Turborennwagen unterwegs, deshalb musste ich in Weissach bei Tests zeigen, dass ich so etwas auch fahren kann. Da habe ich gleich den Rundenrekord geknackt und dann auch noch Rennen gewonnen. Ich liebte das Auto eben.« Auch in Sebring startete er mit dem 917. 1971 sicherte er sich dort den obersten Platz auf dem Siegertreppchen. 2014 wurde er in die Sebring Hall of Fame aufgenommen.

Weil Vic Elford zuverlässig und schnell war, engagierte ihn Steve McQueen 1970 für High-Speed-Aufnahmen seines Filmes »Le Mans«. Fast »nebenbei« startete Elford bei 13 Formel 1-Rennen von 1968 bis 1971, kletterte in Autos der CanAm- und Trans-Am-Serie, saß bei Offroad-Events in Afrika am Steuer und wagte sich in Nascar-Ovale. Er fuhr insgesamt zwölf Jahre lang erfolgreich bei Rallyes und Rundstreckenrennen. 1972 wurde er zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt, weil er während der 24 Stunden von Le Mans anhielt, um einen Fahrer aus dessen brennenden Wagen zu retten.

1974 zog er sich vom aktiven Rennsport zurück. 1975 meldete er sich wieder mit dem Rennwagenprojekt Inaltera zurück, später managte er das ATS-Team. Nach seinem Umzug in die USA 1984 leitete er die Porsche Owners Driving School und die Porsche Driving Experience. In zwei Büchern hat er seine Erfahrungen festgehalten: »The Porsche High Performance Driving Handbook« und »Reflections on a Golden Era in Motorsport«. Noch im hohen Alter freute sich Elford, wenn er wie 2017 bei der Tour de Corse Historique eine 911 lenken oder mit anderen Porsche-Helden wie Herbert Linge, Gérard Larrousse und Jean-Pierre Nicolas 2018 bei einer nostalgischen Fahrt noch einmal Monte-Carlo-Sonderprüfungen durchfahren konnte.

Zeit seines Lebens war der smarte Pilot mit dem breiten Lächeln aber auch ein besonderer Freund der Franzosen und ihrer Lebensart. »Frankreich ist wohl das einzige Land – neben den USA – mit einer solchen Vielfalt an Geografie, Topografie, Klima- und Wetterbedingungen für jeden Rallyetyp,« war er begeistert. »Dazu kommt die Willkommenskultur in Savoyen, den Alpen, den Pyrenäen – die ganze ‚Camaraderie Française‘, die es so sonst nirgendwo auf der Welt gibt.«

Vic Elford hinterlässt seine französische Ehefrau Anita und eine riesengroße Fangemeinde. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG verabschiedet sich von einem der sympathischsten und erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten. 

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